Ferien und Freizeit im Islam

Ferien und Freizeit im Islam

Während wir noch ein anstrengendes Arbeitsjahr hinter uns zurücklassen und zum Besuch von Freunden und Verwandten in die alte Heimat reisen, sollten wir uns einige Gedanken zum Ferienverständnis im Islam machen.

Der türkische Begriff für Ferien, "tatil", stammt von dem Wort "atalet" ab, was soviel bedeutet wie "Trägheit, Faulheit, Müßiggang", aber auch das "Abkommen von seiner Bestimmung, das Unterbrechen einer Aufgabe". Solch ein
Ferienverständnis würde jedoch dem islamischen Lebensverständnis widersprechen. Eine längere Zeitspanne mit Nichtstun zu verbringen, widerspricht dem Geist des Verses 7 der Sure : "Und wenn du (mit etwas) fertig bist, dann bemühe dich weiter."

Der mit der Industrialisierung in einigen Kreisen einziehende Wohlstand brachte den Dualismus Arbeitszeit und Freizeit an den Tag, der bei den Menschen zu einer gewissen Trägheit und Zeitverschwendung führte. Während vor der Industrialisierung solch ein Freizeitverständnis nicht vorhanden war, gibt es angefangen von den Sommerferien über Herbst- und Winterferien, über Auslands- bis hin zu Fernreisen eine riesige Palette an Ferienangeboten, die weit im Voraus geplant und umgesetzt werden. So wurde das Ferien- und Freizeitverständnis zum bestimmenden Inhalt der heute verbreiteten Lebensphilosophie. Hotels, riesige Ferien- und Strandanlagen, Sommerresidenzen, all diese Angebote wurden aufgebaut, um dieses Bedürfnis der Menschen zu stillen und für noch mehr Konsum und Ausgaben zu sorgen.

Eine lange und stressreiche Hin- und Rückfahrt und ein mindestens genauso beschwerlicher Urlaub steht den meisten bevor. Statt erholt und entspannt kehren sie körperlich und seelisch verbraucht von ihren Reise zurück. Von
der erhofften Erholung bleibt kaum etwas zurück.

Sicherlich strapaziert das hektische und stressreiche Stadtleben den Menschen. Während jedoch der in der Arbeitssaison strapazierte Körper ausgeruht wird, müssen Geist, Verstand und Seele ebenfalls genährt werden.

Ferien sind in diesem Sinne die Zeit, in der die bisher vernachlässigten und eher stiefmütterlich behandelten Bedürfnisse zum Zuge kommen. Ferien sind nicht die Zeit des Nichtstuns, sondern die Zeit des Lesens, Denkens und
Erinnerns(Zikr).

Ferien und Freizeit können wir als einen Wechsel der Beschäftigung, als ein Mehren des Wissens und des Anstands und als Erholung durch den Wechsel des Gewohnten verstehen. So wie der Körper ein Bedürfnis zur Ruhe hat, so braucht auch unser emotionales und geistiges Zentrum, unser Herz Ruhe und Erholung. So hatte schon Hz. Ali (ra) mit den Worten, "Lasst eure Herzen erholen, auch sie brauchen wie eure Körper Ruhe", auf den Umstand hingewiesen, dass auch das Herz sich von Stress und Hektik erholen muss.

Wenn uns schon der Herr nahe legt, "Und wenn du (mit etwas) fertigbist, dann bemühe dich weiter", sollten wir unsere Ferien als eine Zeit gestalten, in der wir neuen und nützlichen Beschäftigungen nachgehen, als eine Etappe in der nicht verschwenderisch mit Zeit und Geld umgegangen wird. Erholsame und erkenntnisreiche Reisen, Besuche bei Freunden und Familie sind eine gute Möglichkeit dazu.

Der Koran will nicht, dass der Mensch immerzu auf der Stelle tritt. Er empfiehlt das Bereisen und Erkunden neuer Orte. Aber diese Reisen sind nicht ziel- und sinnlos. Der koranische Sinn des Reisens wird in den Suren Ankabût und Rûm aufgezeigt: "Sprich: "Reist durch das Land und schaut, wie Er Seine Schöpfung begonnen hat und sie dann wiederholt." Siehe, Allah hat Macht über alle Dinge."
[29:20 ]"Sprich: "Reist durch das Land und schaut, wie das Ende derer war, die zuvor lebten; die meisten von ihnen waren Götzendiener."

Im Koran immer wieder auf die Zeit, wenn er sagt, "bei der Nacht", "beim Morgen", "bei der Sonne", "beim Mond", "beim Tag" oder "bei der Nacht" und zeigt damit die Bedeutung der Zeit auf und lädt zur sinnvollen Nutzung dieser ein.

In der Sure Dschum'a weist er die Muslime dazu an, die Arbeit niederzulegen, wenn sie zum Freitagsgebet gerufen werden und nach dem Gebet sich wieder auf der Erde zu verteilen und sich wieder um Allahs Gaben zu bemühen.

Der Koran benennt die Nacht als eine Decke und den Schlaf als ein Mittel der Erholung. Aus diesem Grund wird ein Drittel des Tages für solch eine Erholung genutzt.

Das muslimische Leben ist ein natürliches Leben. Genauso wie die Sonne, der Mond, die Sterne, unser Herz, unser Hirn, unser Magen sich keine Auszeit nehmen, so gehört auch das Nichtstun nicht zu unserem Leben. Erholung und Ruhe sind zwar ein Bedürfnis des menschlichen Lebens, doch im muslimischen Leben ergeben sich immer wieder genug Möglichkeiten dazu.

Das rituelle fünfmalige Gebet und dessen Verrichtung in der Gemeinschaft, das Gebot Freunde und Verwandte zu besuchen, der Freitag und die Festtage bieten die Möglichkeit zur Erholung. Auch die Einbindung des Einzelnen in
das soziale Leben durch die gegenseitige Fürsorge und Umsicht sorgt gegen sozialen Stress vor.

Für den Muslim kommt somit als Ferienbeschäftigung nicht das Nichtstun, sondern ein "etwas anderes tun" in Frage. In der Praxis bedeutet dies, Ferien nicht als Zeit der Faulheit und des Müßiggangs zu verstehen, sondern als einen Schatz und eine Gabe zu betrachten und diese wertvolle Zeit bewusst zu nutzen.
 

© Die Wahrheit im Herzen

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