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Geschichte der Muslime in Deutschland
#1
" 1. Exkurs: Die Türken
Türken gibt es in Deutschland nicht erst seit der Anwerbung zu Beginn der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts, sondern seit über 300 Jahren. Besonders nach dem Sieg über das türkische Heer im späten 17. Jahrhundert vor Wien kamen viele Türken als Kriegsgefangene nach Deutschland. Die damals gerade 10000 Einwohner zählende Stadt München beheimatete über 1000 türkische Kriegsgefangene, die im Kanalbau und an den Webstühlen als Arbeiter beschäftigt wurden. Viele kehrten nicht in ihre Heimat zurück, sondern ließen sich nieder. Viele der Kriegsgefangenen waren Kinder unter 16 Jahren, andere waren nicht unbedingt Türken, sondern entstammten der osmanischen Besatzerschicht. Nach dem Übertritt vom Islam zum Christentum - bei der Taufe waren häufig Offiziere, Edelleute, Ratsherren anwesend, und die Getauften erhielten als Namen meist die  Vornamen ihrer Taufpaten - gelang nicht wenigen eine ungewöhnliche Berufskarriere, gelegentlich die Einheirat in höhere Gesellschaftskreise und die Erhebung in den Adel.
Etwa 50 Jahre später wurden aus dem Bereich des Osmanischen Reiches Rotfärber ins Elsaß nach Mühlhausen und Rouen angeworben, denen man ihre Religion ließ. Auch in Preußen wurde die Glaubensfreiheit praktiziert. Friedrich der Große schrieb 1740 an den Rand einer Eingabe: " Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur ihre Leute, die sich zu ihnen bekennen, ehrliche Leute sind. Und wenn Türken und Heiden kämen und wollten hier im Land wohnen, dann würden wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen." Und 1756 bekannte er einem Vertrauten: Ich bin genötigt, meine Zuflucht zu Treu und Glauben und zu der Menschlichkeit der Muselmänner zu nehmen, weil solche bei den Christen nicht mehr zu finden sind."
Aus Russland stammende muslimische Tataren wurden preußische Soldaten. 1762 wurde gar in der Garnison in Goldap (Ostpreußen) ein selbständiges Bosniakenregiment eingerichtet mit einem preußischen Heeres-Imam, der "Prediger der preußischen Mohammedaner" genannt wurde. 1808 machte die muslimische Reiterei Preußens etwa 1000 Mann aus. Sie bildeten die bekannten Ulanenregimenter. Der Islam fand in Preußen eine erstaunliche Toleranz vor. Sicher aufgrund seiner Wertschätzung dieses Glaubens setzte der Philosoph Immanuel Kant das islamische Glaubensbekenntnis " Im Namen des Barmherzigen, des gütigen Gottes" über seine Königsberger Promotionskurkunde.
1732 wurde den Muslimen in Potsdam ein Saal als Moschee zur Verfügung gestellt: die erste muslimische Gottesdienststätte auf deutschem Boden. Während des Ersten Weltkrieges wurde in Wünsdorf bei Zossen in der Nähe von Berlin ein "mohammedanisches Gefangenenlager" eingerichtet, für Gefangene aus Sibirien, Indien, Marokko, Algerien und dem Senegal. Dort wurde im Juni 1914 eine Moschee eingeweiht. Für die Gefangenen gab es nicht nur mehrere Imame und Mullahs, sondern auch fünf islamische Zeitungen. Zehn Jahre später wurde in Berlin - Wilmersdorf nahe beim Fehrbelliner Platz eine Moschee eingeweiht. Die einzige Barockmoschee der Welt entstand 1785 als "Rote Moschee" im Schlosspark von Schwetzingen, wo sie zunächst nicht für Gottesdienste gedacht war."
(Quelle: Rausland oder: Menschenrechte für alle / Manfred Budzinki ; Karin Clemens. S. 110f.; Göttingen : Lamuv, 1991)
  


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